Wiederaufleben von Forderungsabtretungen

Anwaltskanzlei Peter Neubauer
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Bergisch-Gladbach, 15.10.2014
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Zur Wirksamkeit der Vorausabtretung bei Freigabe der selbständigen Tätigkeit (BGH v. 18.04.2013 / IX ZR 165/12)
Hier: Interventionsmöglichkeiten für betroffene Ärzte und Zahnärzte

Sehr geehrter Herr von Sengbusch,

ich möchte Ihnen eine Möglichkeit aufzeigen, wie Ärzte zu ihrem Recht kommen können, bei denen die A Bank die Sicherungsabtretung nach abschließendem Insolvenzverfahren „gezogen hat“.

Die Problemstellung ist folgende:

Viele Ärzte bzw. Zahnärzte haben zu Beginn ihrer beruflichen Karriere etwa in den 90er Jahren bei der A Bank Kredite aufgenommen. Zur Sicherung dieser Kredite haben sie den pfändbaren Anteil ihrer Bezüge abgetreten.

Viele Ärzte gehen in die Insolvenz, werden aber nach § 35 Abs. 2 InsO frei gegeben und zahlen daher einen festen Betrag für sechs Jahre an die Insolvenzmasse.

Im Urteil des BGH vom 18.04.2013 zu Aktenzeichen IX ZR 165/12 führt der BGH in Abänderung seiner bis dahin geltenden Rechtsprechung aus, dass die Sicherungszession, die vor der Einleitung des Insolvenzverfahrens der Bank erteilt worden ist, nach Freigabe gem. § 35 Abs. 2 InsO zugunsten der Bank wieder auflebt.

Dieses Urteil nahm die A Bank zum Anlass, bei den Ärzten, die in die Insolvenz gegangen sind und freigegeben wurden, Ansprüche gegenüber der KV/KZV auf den pfändbaren Anteil geltend zu machen.

Da die Struktur und Verbindungen zwischen den KV/KZV und der A Bank sehr eng sind, sieht das in der Praxis so aus, dass die A Bank ein Schreiben an die KV/KZV sendet und die Überweisung des pfändbaren Teils der Bezüge an sich fordert.

Die KV/KZV, ein beamtenähnlich strukturierter Betrieb teilt dies dann sofort dem Arzt mit und friert die Gelder ein. Die KV/KZV nimmt nicht eine Berechnung des pfändbaren Anteils vor, sondern fordert in der Regel die Beteiligten auf, sich gütlich zu einigen.

Dadurch entsteht große Not, da fällige und dringend gebrauchte bereits verdiente Bezüge dann nicht an die Ärzte/Zahnärzte ausgezahlt werden.

Da in vielen Fällen mit der A Bank keine Einigung erzielt wird, ist dann eine gerichtliche Entscheidung geboten.

Es ist in der Rechtsprechung in jedem Fall anerkannt, dass der Schuldner in einem Rechtsstaat die Möglichkeit hat, den pfändbaren Betrag durch ein Gericht festsetzen zu lassen.

1. Einstweilige Anordnung bei dem zuständigen Prozessgericht

Wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit ist zunächst an einer einstweiligen Verfügung bei dem zuständigen Zivilgericht zu denken.

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte ist in der Regel nicht gegeben, da nach der Rechtsprechung bei einer Vorausabtretung (die kein Titel im Rechtssinne darstellt) nicht als Vollstreckungsgericht, sondern das Prozessgericht den pfändbaren Betrag festsetzen muss.

Die Zuständigkeit des Landgerichts ist ab 5.000,00 € gegeben. Da in der Regel weit mehr als 5.000,00 € einbehalten werden, wäre dann das zuständige Gericht hier das Landgericht Düsseldorf, der für das Wohnsitzgericht der A Bank zuständig ist.

Das Problem beim Zivilgericht ist, dass Zivilrichter im einstweiligen Anordnungsverfahren die Hauptsache nicht vorwegnehmen wollen. Die Hürde ist unangemessen hoch. In zwei Fällen die ich erlebt habe, war es so, dass das Landgericht Düsseldorf von einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache ausging und die einstweilige Verfügung nicht erlassen hat.

Das Zivilgericht ist also ein wenig Erfolg versprechender Weg, da die Hürde sehr hoch ist:

Eine einstweilige Verfügung kommt nur bei einer bestehenden drohenden Notlage in Betracht. Der Antragsteller muss so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sein, oder ihnen müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass weder ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs noch eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuzumuten ist.

In den Fällen die ich bearbeitet habe, hat das Landgericht Düsseldorf diese Voraussetzungen verneint.

Also ist der Weg für das Prozessgericht nicht der richtige Weg, um eilige Interessen durchzusetzen.

2. Einstweilige Anordnung beim Sozialgericht

Es ist fast unbekannt, dass es auch die Möglichkeit gibt, einen Eilantrag beim zuständigen Sozialgericht in Düsseldorf zu stellen. Gem. § 86 b Sozialgerichtsgesetz ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig. Das interessante ist zunächst die Zuständigkeit des Sozialgerichtes. Das Sozialgericht ist zuständig, da es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechtes handelt gem. § 31 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz. Gem. § 10 Abs. 2 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz wird eine Sonderzuständigkeit für Streitigkeiten, die materiell dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen sind, aber die besonderen Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzte betreffen nach der Gesetzeslage begründet.

Das Sozialgericht hat hier auch anders als die Zivilgerichtsbarkeit keine „Berührungsängste“ mit Kassenarztrecht und Auseinandersetzungen zwischen Ärzten/Zahnärzten und der KV/KZV.

In dem vorliegenden Fall wurde die einstweilige Anordnung nach § 89 b SGG erlassen, d.h. für sechs Monate gewährte das Sozialgericht dem Arzt die Vollbezüge aus der KV. Gleichzeitig wurde dann dem Antragsteller aufgegeben, das Hauptsacheverfahren bei dem Sozialgericht in Düsseldorf einzureichen. Da das sozialgerichtliche Verfahren in der Regel ein Jahr dauert, gehe ich davon aus, dass die vom Sozialgericht erlassene einstweilige Anordnung um weitere sechs Monate verlängert werden kann. Das Hauptsacheverfahren ist zwischenzeitlich eingeleitet.

Das Hauptsacheverfahren sowie die einstweilige Anordnung sollte allerdings sorgfältig vorbereitet werden etwa durch ein Gutachten von sido, wie der pfändbare Betrag im konkreten Einzelfall sich zusammensetzt. Gleichzeitig sollte auch im Hinblick auf die Dringlichkeit der Angelegenheit die wirtschaftliche Situation des Arztes/Zahnarztes komplett dargelegt werden. Am besten mit einem Gutachten von sido, wie in den Verfahren auch.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht hat folgenden Vorteil:

  • Man bekommt eine richterliche Entscheidung im Eilverfahren unmittelbar gegen die KV/KZV die sich dann dieser richterlichen Entscheidung sofort beugt,
  • die einstweilige Anordnung soll auf sechs Monate begrenzt werden, sodass in dieser Zeit Rechtsicherheit herrscht,
  • das Hauptsacheverfahren kann dann anhängig gemacht werden, man hat ein Gericht, dass keine Berührungsängste mit kassenärztlichen Auseinandersetzungen hat,
  • man hat ein Gericht, dass dann auch die Berechnung des pfändbaren Teiles es Einkommens des Arztes durchführt,
  • das sozialgerichtliche Verfahren ist ein Verfahren, dass von Amtswegen und nicht im Parteibetrieb geführt wird, d.h. der erkennende Richter bei Sozialgericht führt die Berechnung des pfändbaren Teils des Einkommens von Amtswegen durch.

Die Erfahrung des Unterzeichners hat nämlich gezeigt, dass die A Bank die Berechnungen des pfändbaren Teils des Einkommens nicht nach den gesetzlichen Vorschriften durchführt. Die KV/KZV, die eine Drittschuldner ähnliche Stellung hat und eigentlich nach analog § 840 ZPO die Berechnung des pfändbaren Anteils durchführen müsste, weigert sich dies zu tun.

Die Zivilgerichtsbarkeit legt die Latte für ein Eilverfahren unangemessen hoch, im normalem Klageverfahren, dass über zwei Instanzen zwei bis drei Jahre dauern kann, wäre die wirtschaftliche Zahlungsfähigkeit der entsprechenden Praxen nicht mehr gegeben, sodass diese dann die „Insolvenz in der Insolvenz haben“.

Insoweit ist der Weg zur einstweiligen Anordnung nach § 89 SGG bei dem Sozialgericht der richtige Weg, um zumindest für sechs Monate Rechtssicherheit zu bekommen. Gem. § 52 a SGG ist in anderen Angelegenheiten des Vertragsarztrechtes das Sozialgericht, in dessen Bezirk die kassenärztliche Vereinigung ihren Sitz hat zuständig.

Damit ist nach meiner Auffassung die Zuständigkeit des Sozialgerichtes Düsseldorf auch in Fällen gegeben, wo Ärzte etwa aus Hamburg oder Berlin klagen. Das kann man aber noch genau abprüfen, jedenfalls hat das Sozialgericht Düsseldorf eine Sache zur Entscheidung angenommen, eine andere Sache ist in Vorbereitung.

So, das war die Zusammenfassung meiner Erfahrung. Ich halte Sie weiterhin unterrichtet insbesondere was das Hauptsacheverfahren bei dem Sozialgericht in Düsseldorf angeht.

Falls Fragen sind, stehe ich für Rücksprachen gerne zur Verfügung.

Ich erkläre mich gerne bereit, die rechtlichen Interessen zukünftiger Mandanten zu vertreten, weise aber direkt auf eine Arbeitsteilung hin:

Es hat sich in dem Verfahren gezeigt, dass die Aufbereitung der Einkommenssituation der Ärzte etwa durch sido sehr verfahrensfördern ist. Insoweit wäre hier eine Interessenvertretung des Unterzeichners vor Gericht geboten, die Zusammenstellung der Zahlwerke aber sollte durch sido erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Neubauer
Rechtsanwalt